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„ Nächster“

 
Dieser Einwand kommt, die Wortwahl verrät es, von den Verteidigern des Christlichen Abendlandes. Christlich ist das jedenfalls nicht gedacht, weswegen wir nun doch einen Schritt in die Theologie wagen.

Die Schriftgelehrten kommen zum Rabbi Jesus und fordern ihn auf: Na, erklär uns, wer ist für dich dein Nächster?! Und sie wollen eine Antwort, wie in der Suggestivfrage oben formuliert ist. Der Rabbi erzählt ihnen stattdessen die Geschichte vom Kaufmann, der auf dem Blutpfad von Jerusalem nach Jericho überfallen, ausgeraubt und schwer verletzt liegen gelassen wird. An dem kommen zwei gläubige Juden vorbei, tun nichts und gehen weiter. Und jetzt lässt der Rabbi Jesus ausgerechnet einen Mann aus Sa­maria vorbeikommen, also einen Apostaten, Abtrünnigen, Ungläubigen. Und just dieser Mann versorgt die Wunden des Schwerverletzten, hebt ihn auf sein Reit­tier, bringt ihn in die nächste Herberge, gibt dem Wirt Geld für Verpflegung.

WER in dieser Geschichte, fragt der Rabbi, war nun der „Nächste“. Offensichtlich der barmherzige Samariter. Die eigentliche Pointe der Geschichte aber ist: Es geht nicht um Definitionen der Nähe oder Ferne von Personen, die Opfer wurden. Nicht sie sind notwendigerweise die „Nächsten“, sondern der erweist sich als Nächster, der dem Bedürftigen, dem Opfer, die Hilfe unbe­schadet aller nichtvorhandenen Gemeinsamkeit mit ihnen erbringt - bzw. dem sie zuteil wird. Rabbi Jesus ist hier an Deutlichkeit und meäutisch - diplomatischem Geschick nicht zu überbieten.

(C) Die Autoren changed: 20. Dezember 2015