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Das Zufluchtsmanifest
 

Zufluchts-Manifest Jänner 2017

(ergänzt, präzisiert und novelliert das Pamphlet „Eine humanitäre Idee und ihre Verwirklichung“)

(1) Präambel zur Aufklärung einiger Missverständnisse:

a) Die sogenannte „Willkommenskultur“, von der die Medien und politischen Vereine berich­ten, war zu keinem Zeitpunkt seit dem Sommer des Vorjahrs die Maxime irgend einer europäischen Regierung, weder der deutschen, der österreichischen noch der schwedischen. Die Willkommenskultur entstand vielmehr in den jeweiligen Zivilgesellschaften dieser Staa­ten als Ausdruck einer sehr persönlicher Empathie mit den Flüchtenden und der darauf gründenden Hilfsbereitschaft. Deutschlands Regierung (Merkel) hat sich aus rein partei­taktischen Überlegungen diesem zivilgesellschaftlichen Impetus angedient („Wir schaffen das!“). Österreichs Regierung hat ausschließlich eine Durchwinkpolitik betrieben, solange das opportun schien. Schweden hat seine Liberalität ohnehin sehr rasch über Bord gewor­fen. Was seither geschah, ist allgemein bekannte zynische Zeitgeschichte.

b) Die große Schwäche der Willkommenskultur liegt im Umstand, dass sie ausschließlich auf dem Mitleid mit Opfern beruht. In dem Maße, in dem die in Europa Gelandeten sich nicht mehr als Opfer „benehmen“, sondern beginnen, Ansprüche zu stellen oder gar Kritik an den Gastgeberländern und deren Asylpolitik üben, sinkt das Mitleid der Bevölkerung exponenti­ell.

Verschärft wurde und wird die Beendigung der Willkommenskultur durch Gewalttaten der einen oder anderen Art seitens der Angekommenen. Der normale bürgerliche Verstand macht dabei keinen Unterschied zwischen Verzweiflungstaten traumatisierter Menschen, die die Bedingungen, unter denen sie in den Zufluchtsländern leben müssen, nicht mehr aushalten und solchen Gewaltakten, die aus einer nicht-europäischen Sozialisation (Stich­ wort Kultur-clash) ethnischer, nationalistischer, sexistischer und/oder religiöser Wurzeln erwuchsen.

c) Der letzterwähnte Umstand sollte auch klar machen, wieso ein Multi-Kulti-Idealismus nie­mals das treibende Motiv für die Ansiedlung von Zufluchtsuchenden sein darf. Wo sich im Zu­sammenleben von Menschen Multikulturalität zwanglos ergibt, soll man das begrüßen und auch fördern. Aber es ist nichts, worauf man sich verlassen darf. Mit anderen Worten: Die Neuansiedelung von Zufluchtsuchenden muss auf materiellen Grundlagen und auf dem Interessensausgleich aller Beteiligten beruhen.

d) Warum also überhaupt Projekte der Neuansiedlung statt Grenzzäunen, warum Öffnung statt festungsgleicher Abschottung?

Weil wir à la longue keine Wahl haben, wollen wir nicht sämtliche sogenannten europäischen „Werte“ ins Mittelmeer versenken. Der Migrati­onsdruck wird in diesem Jahrhundert enorm ansteigen. Die Hauptursache wird nicht in den verschiedenen Bürgerkriegsszenarien im Nahen Osten und in Afrika liegen, so aktuell diese auch derzeit sein mögen. Die neue Völkerwanderung wird durch den Klimawandel bedingt sein, einem Umweltphänomen, dessen Ursachen vor allem die Industriestaaten zu verant­worten haben. Anstieg des Meeresspiegels, Hurricans wie Katrina, Wetterphänomene wie El Niño mit der Kombination aus Dürre-, Überschwemmungs- und Orkankatastrophen, Versie­gen des Golfstroms, gewaltige Erdbeben, Waldbrände, Desertifikation einst fruchtbarer Gebiete Afrikas werden dazu führen, dass (Aber)Millionen von Menschen sich auf den Weg in andere Weltgegenden (nicht nur Europa) machen. Unsere Gesellschaften müssen auf diese Herausforderung in jeder Hinsicht vorbereitet sein: infrastrukturell, städtebaulich, wirt­schaftlich, politisch, (völker-)rechtlich, kulturell, sozial, bildungspolitisch, pädagogisch, psychologisch. Diese Vorbereitungen müssen heute beginnen und zwar ohne Aufschub.

(2) Beschreibung des Status quo der sogenannten „Flüchtlings“-„Politik“

An der prekären und unzumutbaren Situation der Flüchtlinge hat sich nichts geändert. Auch nicht an den nachvollziehbaren Gründen, warum Menschen ihr jeweiliges Herkunftsland tem­porär oder permanent verlassen. Die derzeitigen „Strategien“, mit der Flüchtlingssituation sei­tens der europäischen Länder umzugehen, haben sich seit unserem letzten Pamphlet nicht ge­ändert, höchstens modifiziert und das heißt: verschärft.

Die Orban-isierung und Erdogan-ierung europäischen Handelns im Verbund mit der Kurz-sichtigen Außenpolitik der Blockade haben Schluss ge­macht mit jeder Form humanitärer Heuchelei. An deren Stelle getreten sind das gute Gewissen volksverbundenen polizeilichen Sicherheits-„Denkens“ und der Appell an alle, sich an die brutalen Bilder chaotischer oder lebensbedrohlicher Verhältnisse der Flüchtlinge an den Küsten und in unbeschreiblichen Lagern schlicht zu gewöhnen. Österreichs Bundesheerwerbung buchstabiert „Frieden“ und „Friedenserhalt“ auf einem Plakat mit der Fotografie von Panzer­grenadieren, die mit ihren schwe­ren Waffen martialisch ins Kameraauge blicken. Auf wen die wohl friedenssichernd schießen wollen?

(3) Unsere radikale Lösungsidee,

nämlich die positive Aufnahme der Flüchtlinge durch den großzügigen Bau neuer Städte / Stadtteile / Dorfgemeinschaften europaweit, bedarf einer Klärung. Ergänzend zum letzten Pamphlet muss bei diesen baulichen Projekten die Betonung auf Gemeinschaftsarbeit liegen. Und das heißt: nicht nur die Planung der einzelnen Projekte muss die gemeinsame Arbeit von Ansässigen, Eingebürgerten und Neuankömmlingen sein. Auch das anschließende Zusammen­leben sollte von vorneherein als gemeinschaftliches organisiert werden. Es muss einerseits der Eindruck vermieden werden, hier würden neue Wohnstätten ausschließlich den Zuziehenden zugute kommen. Und andererseits sollte die Integrationsarbeit ebenfalls bereits vom ersten Moment der Projektentwicklung in Angriff genommen werden.

Die Öffnung Europas heißt nicht, dass nicht auch die Alternative projektiert und finanziert wer­den muss: Dort, wo es möglich und sowohl technisch als auch ethisch vertretbar ist, sollte alles daran gesetzt werden, dass Menschen in ihren jeweiligen Regionen bleiben können (im Regel­fall ist das ja auch deren Wunsch). Wie weit das durchführbar ist, hängt von den jeweiligen kli­matischen Gegebenheiten bzw. von den Möglichkeiten einer Änderung ab (Beipiel: Desertifika­tion durch moderne Bewässerungstechnik zu stoppen). Wo die Fluchtursachen hingegen poli­tisch/militärisch bedingt sind, steht es uns nicht zu, außer mit dem Angebot diplomatischer Hilfestellung, uns einzumischen.

(4) Die Realisierung

der Idee steht und fällt natürlich mit einer gelungenen Finanzierung. Was gefordert werden muss, ist ein europäischer (besser noch: globaler) Finanzierungsplan, der alles über Bord wirft, was derzeit als fiskalisches „Paradigma“ gilt. Also weg von der idiotischen austerity-Politik, von geforderten Nulldefiziten der einzelnen Staaten; hin zu einer über die Staaten und Staatenver­bünde groß angelegten Investitionsinitiative. Was nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Marshall-Plan möglich war, sollte anstelle eines Dritten auch heute zu organisieren sein. Das Problem ist nicht der Mangel an Geld, sondern der fehlende Wille, Geld vernünftig umzuwidmen. Richtig eingesetzt, führt es zu einer Anschubfinanzierung, die der Weltwirtschaft einen neuen Boom bescheren könnte. Das Konzept beruht nicht auf keynesianistischem Optimismus. Milliarden und Billionen von € bzw. $, die derzeit für Währungsdeckungen aller Art gebunkert werden, werden wenigstens teilweise schlicht einem vernünftigeren Zweck zugeführt.

(5) Das leidige Sicherheitsproblem

darf nicht geleugnet oder verniedlicht werden. Mit seiner nachvollziebaren Lösung steht und fällt die Realisierung unserer Projektidee. Wesentliche Details sind im Abschnitt „Sicherheit“ unseres Grundsatzpapiers „Eine humanitäre Idee und ihre Verwirklichung“ aufgelistet. Ergän­zend festgehalten werden sollte die Notwendigkeit, die auf die Erledigung ihres Antrags War­tenden während dieser Zeit intensiv mit allen Integrationsbedingungen der Gastgebeländer vertraut zu machen. Dazu gehört auch gegebenenfalls, Menschen, die etwa auf ein Rechtssys­tem à la Scharia Wert legen, anderen Zielorten (Saudiarabien usw.) zuzuführen. Jene, deren Antrag positiv erledigt und durch bindende Vertragsunterzeichnung der Antragsteller rechts­gültig wurde, werden in den Gastländern – am besten gemeinsam mit den dort Ortsansässigen – mit weiteren Traditionen, Umgangsformen und Verhaltensweisen der Gastländer theoretisch wie praktisch vertraut gemacht.

Die Bekämpfung der im Flüchtlingsmilieu durchaus vorhandenen Kriminalität (einschließlich möglicher Terrorgefahr) darf nicht nur polizeilich/geheimdienstlich vonstatten gehen. Gerade hier sind die wichtigsten integrativen Maßnahmen zu setzen: Bildungs- und Beschäftigungs­angebote, Konsolidierung der materiellen Lebensbedingungen, Jugend- und Sozialarbeit, kultu­relle Initiativen usw.

(C) Die Autoren changed: 12. Januar 2017