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Demonetarisierung Und Postwachstum
 

DEMONETARISIERUG: POSTWACHSTUM VERTIEFEN    

AUTOREN: A. Exner, J. Morgan, F. Nahrada, A. Nelson, C. Siefkes sind eine ad hoc-Gruppe der offene email-Liste demonetize.it

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
DEMONETARISIERUG: POSTWACHSTUM VERTIEFEN   
1. GELD IST DAS PROBLEM, NICHT DIE LÖSUNG   
1.2. MÄRKTE, GELD UND WACHSTUM SIND NICHT ZU TRENNEN   
1.3. VISIONEN EINER GELDFREIEN WIRTSCHAFT   
1.4. DEMONETARISIERUNG – EIN QUERSCHNITTSTHEMA   
2. PRAKTISCH UND AKADEMISCH ZUGLEICH   
3. EIN FOKUSSIERTER ANSATZ MIT POTENZIAL FÜR BREITE BÜNDNISSE   
4. KEIN POSTWACHSTUM OHNE DEMONETARISIERUNG   
5. EINE VEREINTE ANTI-KAPITALISTISCHE BEWEGUNG?   
INFO BOX   
Gruppen zum Aktivwerden:   

1. GELD IST DAS PROBLEM, NICHT DIE LÖSUNG    

Die Kernidee der Demonetarisierung besteht darin, uns von Geldverhältnissen zu befreien: Für eine bessere Gesellschaft sind der Markt und das Kaufen und Verkaufen erheblich einzuschränken und schließlich abzuschaffen. Dies ist nur möglich durch bewusste und partizipative Formen der Kooperation.

In Debatten zum Postwachstum wird häufig der Zins auf Kredite als Grundproblem identifiziert. Entsprechend wird häufig für eine Abschaffung des Zinses plädiert. Demonetarisierung argumentiert, dies greife zu kurz und garantiere keine Postwachstumsökonomie. Die theoretische Perspektive der Demonetarisierung gründet letzlich auf jener von Karl Marx. Allerdings hat der Ansatz der Demonetarisierung diese Perspektive auch durch feministische und ökologische Blickwinkel verändert.

Eine grundlegende Einsicht der Perspektive von Demonetarisierung besteht darin, dass Geld, Tausch und Wert historische soziale Formen darstellen. Es handelt sich dabei um Produkte einer Gesellschaft und nicht um ewige Tatsachen. Sie erscheinen bloß als solche, weil sie sich durch unsere individuelle Sozialisation und in unser Alltagsleben tief eingeschrieben haben. Schauen wir über das Geld hinaus, so gibt es fraglos eine Reihe von Ansätzen, aus denen wir wählen können um Ressourcen zu teilen, Arbeiten zu planen, Produkte zu verteilen und Entscheidungen zu treffen. Die Visionen einer geldfreien Gesellschaft sind vielfältig. Sie beinhalten Konzepte wie das der Commons, der Peer-Produktion, der Arbeiter_innen-Selbstverwaltung, der Stigmergie (‘Selbst-Auswahl’) und der freiwilligen Kooperation ebenso wie der Geschenkökonomien und der Solidarischen Ökonomie.

Obwohl Demonetarisierung als solche eng definiert ist, schätzen deren Proponent_innen recht verschieden ein, was daraus folgt. Auch in normativen Fragen, die das Verständnis von Freiheit und Glück betreffen oder die Vorstellung einer ethisch gerechten Gesellschaft und die Frage welche Methoden des Übergangs legitim, effektiv oder machbar sind, besteht keine einheitliche Position.

Der Ansatz der Demonetarisierung impliziert, über den Tausch so genannter Äquivalente (von Wertgleichem) im Allgemeinen und die Idee eines gemeinsamen Wertstandards hinauszugehen. Die Argumente für eine Demonetarisierung teilen als gemeinsame Annahme, dass Geld und der Tausch von Äquivalenten (Märkte) das Potenzial einer Gesellschaft limitieren um die Bedürfnisse aller zu befriedigen – im Gegensatz zu vielen Bewegungen, die Geld als neutrales Medium eines freien Austauschs sehen.

Diese Argumente sind das Thema des folgenden Abschnitts.

1.2. MÄRKTE, GELD UND WACHSTUM SIND NICHT ZU TRENNEN    

Gesellschaftliche Bedürfnisse streben dahin, das Produktionspotenzial auszuschöpfen, während es von einer Reihe von Faktoren zugleich eingeschränkt wird, so etwa der Verfügbarkeit von Rohstoffen, Technologien, Wissen und sozialen oder politischen Regulierungen. Doch wieviel produziert wird, unter welchen Arbeitsbedingungen, und die Art der Produkte werden in einer Marktwirtschaft von der Kaufkraft der Konsumierenden bestimmt und von den Profiterwartungen der Produzierenden. Konkrete menschliche Bedürfnisse zu erfüllen ist nicht das Hauptziel oder -kriterium des Erfolgs. Hunger, Wohnungslosigkeit, sozialer Ausschluss, psychische Frustration und anderes menschliches Leiden stehen nicht im Widerspruch zu einer monetarisierten Produktion. In vielen Fällen sind die materiellen und technologischen Ressourcen vorhanden, die notwendig wären um solches Leiden zu verhindern – so zum Beispiel Hunger und vermeidbare Krankheiten. Doch ist der Markt nicht in der Lage diese Ressourcen bereitzustellen, weil die Menschen, denen diese Ressourcen nützen würden, nicht über genug Geld verfügen. Diese Art von Leiden ist ein unausweichliches Ergebnis einer monetarisierten Produktion, in der genau jene, die investieren, darüber bestimmen, was produziert wird, wie und für wen. Produktion findet nur statt durch jene, die Geld haben, und nur für jene, die Geld haben und den Wunsch etwas zu kaufen – nicht auf der Basis realer Bedürfnisse.

Darüberhinaus wird das Bedürfnis Geld zu verdienen, ‘Geld zu machen’, Geld auszugeben und Einnahmen und Ausgaben in der Waage zu halten entscheidend für unser Gefühl von Selbstwert und für unseren individuellen Status. Solche ökonomische Indikatoren, die anzeigen, ob die Wirtschaft boomt oder in der Krise ist, spielen eine ähnliche Rolle auf der nationalen und internationalen Ebene.

Die Konkurrenz ist eine notwendige Eigenschaft eines freien Marktes; die dort Agierenden erzeugen Produkte nicht entsprechend sozialer Bedürfnisse, sondern werden vielmehr Angestellte in privaten Firmen, die für den Verkauf und mit dem Ziel einen Profit zu machen produzieren. Ökonomische Krisen, Währungs- und Finanzkrisen sind eng mit dem Mangel an Koordination zwischen Produktion und Verteilung in einer monetarisierten Ökonomie verbunden; nur dass ein Produkt hergestellt worden ist, heißt nicht, dass es sich verkaufen wird. Diese systematische Überproduktion führt in Marktwirtschaften zu Vergeudung ebenso wie zu Bedürfnissen, die nicht befriedigt werden. Zugleich führt sie zu Zusammenbrüchen, sei es von einzelnen Unternehmen, ganzen Sektoren oder Volkswirtschaften. So genannte Umbrüche und Innovationen schlagen unsichtbare Wunden in das soziale Gewebe, die nur selten heilen. Sie zerstören des weiteren die allgemeine Planungssicherheit sowie kulturelle Traditionen.

Aufgrund der monetären Bewertung und Bilanzierung des gesamten Prozesses der Produktion ist das Management am meisten damit beschäftigt, das eigene Einkommen zu optimieren, trotz der damit verbundenen ökologischen und sozialen Folgen. Beispielsweise ist in einer monetarisierten Ökonomie Postwachstum als bewusste und sozial legitime Reduktion von Material- und Energiedurchsatz und ökonomischer Aktivität schwer vorstellbar, denn dies würde einen massiven finanziellen Verlust nach sich ziehen. Dessen ungeachtet ist ein Postwachstum in den fortgeschrittenen Ökonomien gegenwärtig notwendig um eine nachhaltige Nutzung der limitierten Ressourcen des Planeten gewährleisten zu können.

Es ist wichtig zu bemerken, dass diese Kritiken auf jede Gesellschaft zutreffen, die auf einem System monetären Tausches (also einer Marktwirtschaft) beruhen. In einer Marktwirtschaft hängt alle Produktion ab vom Kapital. Es macht keinen Unterschied, ob dieses Kapital durch Kredit bereitgestellt wird, mit oder ohne Zinsen, ob es vom Staat verwaltet wird, von privaten Unternehmen oder durch Kooperativen, oder ob es in einer Lokalwährung, einer nationalen Währung oder durch eine Weltwährung ausgedrückt wird. Gesellschaftliche Bedürfnisse würden immer noch ignoriert, die Konkurrenz würde zu Überproduktion und Krise, und Postwachstum würde zu einem finanziellen Verlust führen, der die Produktion selbst bedrohen würde. Nur eine demonetarisierte Gesellschaft ist zu Postwachstum fähig.

1.3. VISIONEN EINER GELDFREIEN WIRTSCHAFT    

Die Idee, das Geld abzuschaffen ist nicht neu. Innerhalb der sozialistischen Bewegungen haben sowohl Marxist_innen als auch Anarchist_innen eine Wirtschaft ohne Geld und Tausch propagiert, ebenso wie die Zeitgeist-Bewegung heute. Doch ist wichtig festzustellen, dass diese nicht das Wort Demonetarisierung gebraucht um sich selbst zu beschreiben. Auf ähnliche Weise begünstigen Freie und Open Source Software das freie Teilen gegenüber Tausch und monetärem Gewinn ohne sich als demonetaristisch zu bezeichnen. Jene, die das Label Demonetarisierung verwenden, zielen darauf Geld und Tausch wieder in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken – beispielsweise indem ein Sozialismus ohne Markt gegen einen Marktsozialismus vertreten wird, und indem die angedeuteten Tendenzen von Demonetarisierung, die heute existieren, hervorgehoben werden.

Dies bedeutet auch, dass es keine vereinheitlichte Vision einer geldfreien Wirtschaft gibt – wie sie aussehen und funktionieren könnte – nachdem Demonetarisierung vor allem eine ‘diskursive Intervention’ darstellt und kein Wirtschaftssystem. Um ein Beispiel zu geben: Anarcho-Kommunist_innen, die ihre Theorie auf Arbeiten von Peter Kropotkin, Errico Malatesta und Mikhail Bakunin gründen, plädieren dafür, Geld durch eine agro-industrielle Föderation zu ersetzen, die sich auf freiwilliger Kooperation zwischen den Produzierenden gründet, um gesellschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen. Ideen der Arbeiter_innen-Selbstverwaltung und rechenschaftspflichtige Systeme der Delegierung sind für deren Ansatz entscheidend. Auf der anderen Seite hat die Open Source-Bewegung keine revolutionäre Vision – aber es ist möglich, die Tendenzen, die wir in der Peer-Produktion beobachten können, zu extrapolieren. Eine commonsbasierte Peer-Produktion könnte für die Gesellschaft insgesamt verallgemeinert werden, so etwa indem das Konzept der Stigmergie genutzt würde um Arbeit zu verteilen. Davon unabhängig, plädiert die Zeitgeist-Bewegung für eine Gesellschaft fast vollständiger Automatisierung, mit einem Vorrang für technologische Lösungen, die manuelle Arbeiten reduzieren. Ein wieder anderer Ansatz ist die Geschenkökonomie – eine Wirtschaftsform, von menschlichen Gesellschaften der Vergangenheit und Gegenwart bezeugt, die entweder die Grundlage eines geldfreien wirtschaftlichen Systems oder eine Ergänzung dazu sein könnte.

Die meisten Visionen von Demonetarisierung weisen Zwangsmethoden zurück und schlagen Lösungen jenseits des Staates vor. Dessen ungeachtet bestehen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Balance zwischen kollektiven und individuellen Freiheiten in einer demonetarisierten Gesellschaft.

Abseits detaillierter Fragen basiert eine demonetarisierte Wirtschaft jedenfalls auf der Produktion für den Gebrauch anstelle des Profits. Das bedeutet, dass ökologische Faktoren beachtet werden können, wenn Entscheidungen in der Produktion getroffen werden. Es bedeutet, dass Überproduktion vermieden wird, nachdem die Produzierenden miteinander kooperieren um Nachfrage auf der Grundlage der Bedürfnisse der Menschen zu decken. Sie erlaubt es auch, die Gesamtarbeitszeit der Menschen zu verkürzen, weil sie nicht mehr das fortwährende Bedürfnis haben, soviel Geld wie möglich zu verdienen um sich sicher zu fühlen oder besser als andere. Kurz gesagt: der Wachstumsimperativ ist strukturell ausgeschlossen. Dies sind die Faktoren, die es einer demonetarisierten Wirtschaft ermöglichen würden, die Postwachstumsziele zu erreichen.

1.4. DEMONETARISIERUNG – EIN QUERSCHNITTSTHEMA    

Es gibt konfligierende Verständnisse der theoretischen Begründung der Demonetarisierung. Häufig werden Gender-Verhältnisse hervorgehoben und das so genannte strukturelle Patriarchat, das zwei Sphären der Gesellschaft voneinander trennt, wovon die eine mit dem Konstrukt ‘Frau’ und ‘Weiblichkeit’ verbunden ist (der nicht-monetäre Sektor), die andere mit ‘Mann’ und ‘Männlichkeit’ (der monetäre Sektor). Bestimmte feministische Positionen argumentieren, dass die Geldwirtschaft eng mit der Geschlechter-Zweiteilung verbunden ist. Die Geldwirtschaft benötigt den Haushalt und die Sorgeökonomien, die biologisch definierten Frauen aufgezwungen und als Aspekte von Weiblichkeit konstruiert werden. Zugleich werden Haushalt und Sorgeökonomien beherrscht, ausgebeutet und entwertet.

Alternativ kann der Schwerpunkt auch auf das Potenzial menschlicher Ausdrucksfähigkeit gesetzt werden, die durch eine Geldwirtschaft begrenzt wird, beispielsweise den Zwang Erfindungen zu kommerzialisieren anstatt unsere Kreativität frei zu teilen, und unsere Wünsche nach Kooperation, Konvivialität, Sinnlichkeit und der Freude am Leben (nicht an bezahlter Arbeit). Wieder andere, die für Demonetarisierung eintreten, fokussieren auf Umweltfragen, die mit der Postwachstumsdebatte verbunden sind. Zeitgenössische Nicht-Markt-Sozialist_innen verbinden soziale und ökologische Limitierungen und Ineffizienzen des Marktes um für eine Gesellschaft jenseits von Geld zu argumentieren.

2. PRAKTISCH UND AKADEMISCH ZUGLEICH    

Eine Gemeinschaft oder Gesellschaft, die ihre Ressourcen und Fähigkeiten nach Maßgabe von Bedürfnissen teilt ist die ursprüngliche Vision des Kommunismus. Diese Vision hat eine lange Geschichte und reicht mindestens bis zum Mittelalter zurück. Im 20. Jahrhundert entstanden demonetarisierte Praktiken in der frühen Kibbutz-Bewegung, die 1910 in Israel begann. Während der Spanischen Revolution 1936-39 wurde Geld in vielen Regionen abgeschafft und durch die freie Verteilung von Gütern oder mittels verschiedener Arten von Bezugsscheinen oder Rationierungssystemen ersetzt.

Unter dem Einfluss von Otto Neurath, der gegen einen allgemeinen Wertstandard und für einen Sozialismus auf Grundlage einer ‘natürlichen Wirtschaft’ argumentierte, diskutierten die Sowjet-Revolutionär_innen (1918-1921) ernsthaft die Möglichkeit eine geldfreie Wirtschaft einzurichten, wobei manche für eine Bilanzierungseinheit auf Basis von Arbeitszeit oder -energie (Anstrengung) eintraten. Dennoch setzte die sowjetische Buchhaltung damit fort, den an Wert verlierenden Rubel als Einheit zu verwenden und Lenins Neue Ökonomische Politik beendete jede Rede von einem Sozialismus ohne Geld. Geld wurde zu einem Werkzeug staatlicher Politik und strukturierte die ungleiche Macht zwischen den Arbeitenden und den Partei-Eliten.

Später, während der großen ökonomischen Debatte (1963-1965) in Kuba, argumentierte Che Guevara (unterstützt durch Ernest Mandel) gegen Geld, Märkte und materielle Anreize – und für ein ‘neues Bewusstsein’, freiwillige Arbeit und moralische Anreize. Guevara kritisierte das sowjetische Lohnsystem und vertrat die Ansicht, dass weder Geld noch Preise notwendig seien, insoweit der staatliche sektor direkt Ressourcen, Arbeit und deren Produkt verwaltet. Allerdings schlug er für den Übergang ein zeitweiliges System der Budgetierung vor, worin Geld im Wesentlichen als Einheit der Buchhaltung fungierte. Nachdem er in der Debatte darum unterlegen war, verließ er Kuba, doch in der Folge schrieb sich Castro dessen Position zu, als er sagte: ‘Wir wollen das Geld entzaubern, nicht es rehabilitieren. Wir zielen sogar darauf ab, es gänzlich abzuschaffen.’

Aus praktischen Gründen wichtiger sind demonetarisierte Praktiken in jüngeren historischen Perioden, die häufig mit Protestbewegungen verbunden waren, mit jenen im Anschluss an die Ereignisse von 1968 als prominenten Beispielen. So praktizierten die Diggeres (die sich damit auf die historische Diggers-Bewegung während der Zeit des englischen Bürgerkriegs bezogen) während der Hippie-Kommune in San Francisco freie Küchen und freie medizinische Versorgung auf der Basis von Spenden und freiwilliger Arbeit. Im Zuge der Arbeitskämpfe in Italien in den 1970er Jahren praktizierten viele die Aneignung von Gütern und Dienstleistungen wie Wohnung und Elektrizität ohne Kauf, womit sie das Tauschprinzip negierten. Erst vor wenigen Jahren wurden Visionen von Demonetarisierung auf Grundlage entsprechender Praktiken in Manifesten wie jenes des Unsichtbaren Komitees (die den 2007 erschienenen Text Der kommende Aufstand verfasst haben) erwähnt oder während der studentischen Besetzungsbewegungen in Kalifornien. Diskussionen und Versuche in Hinblick auf eine Praxis der Demonetarisierung spielten auch im Kontext des Bolivarianischen Sozialismus in Venezuela eine Rolle.

Die Zeitgeist-Bewegung ist ein Beispiel für eine anti-monetäre Perspektive mit einer globalen Orientierung, obwohl sie den Begriff der Demonetarisierung nicht verwendet. Sie zielt darauf, Geld und Kapitalismus durch eine ‘ressourcenbasierte Ökonomie’ (RBE) zu ersetzen. Als solche geht sie mit einer konkreten Vision einer neuen ökonomischen und sozialen Ordnung einher, worin monetärer Austausch rationaler und wissenschaftlicher Planung gewichen ist. Dieser Ansatz betont die Anwendung neuer Technologien, wovon einige derzeit nicht erprobt sind, und den umfassenden Einsatz von mechanischer Automatisierung um menschliche Arbeit auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Die hauptsächlichen Bemühungen dieser Bewegung gelten der Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung, obgleich manche den Aufbau von kleinräumigen experimentellen Initiativen einer RBE vorschlagen. Zwar meint diese Bewegung nicht, eine linksorientierte Perspektive zu entwickeln, allerdings vertritt sie sehr ähnliche Argumentationen gegen Geld, Staat und Kapitalismus inklusive einer Kritik ökonomischen Wachstums.

Als eine Form radikalen Denkens wird Demonetarisierung vor allem durch Akademiker_innen und Mitglieder der Mittelklasse, die nicht an der Universität beschäftigt sind, vertreten – wahrscheinlich im Besonderen durch Fraktionen mit Abwärts-Mobilität, die die Ränge prekär Arbeitender füllen. Als ein Konglomerat sozialer Initiativen betrachtet involviert Demonetarisierung einen weitaus größere Bandbreite sozialer Akteur_innen, von den ärmsten und am meisten diskriminierten Mitglieder von Gesellschaften vor allem im globalen Süden bis zu den technologisch fortgeschrittensten und ökonomisch privilegierten Milieus der ‘kreativen Klasse’, die sich im globalen Norden zentriert. Dies bedeutet eine Asymmetrie in Hinblick auf ethnische Zugehörigkeit, während die Zusammensetzung der entsprechenden Milieus nach Gender (aber nicht notwendigerweise deren Machtverhältnis) eher ausgewogen scheint (sofern eine Gender-Zweiteilung angenommen wird). In Österreich und Deutschland gibt es schwache Verbindungen zu queer-feministischen Strömungen in Milieus der Mittelklasse. Punktuelle Erfahrungen scheinen darauf zu hinzuweisen, dass jüngere Generationen ein besonderes Interesse für Demonetarisierung zeigen, wie beispielsweise beim Kongress Solidarische Ökonomie in Wien 2013 deutlich wurde.

Bislang waren strategisch geplante Aktionen und Bündnisse recht limitiert.

3. EIN FOKUSSIERTER ANSATZ
MIT POTENZIAL FÜR BREITE BÜNDNISSE    

In Beiträgen zur Postwachstumsdebatte betont Demonetarisierung die Rolle von Geld, Tausch und Wert in Hinblick darauf, ökonomisches Wachstum zu ermöglichen, anzutreiben und zu erzwingen – eine Dynamik, die mit steigendem Ressourcenverbrauch und vielen (anderen) sozialen und ökologischen Problemen verbunden ist. Diese Rolle wird auch in sozialen Praktiken reflektiert, die Postwachstum propagieren. Vor diesem Hintergrund scheinen Demonetarisierung und Postwachstum für wechselseitige Anregungen geeignet, die ihre jeweiligen Zielrichtungen zu stärken vermögen.

Die Perspektive der Demonetarisierung muss von dem scheinbar ähnlichen, aber sehr verschiedenen Ansatz differenziert werden, der sich um die Kritik von Zins dreht. Die Zinskritik, die zuerst und am prominentesten von Pierre Joseph Proudhon und Silvio Gesell formuliert worden ist, verortet das Kernproblem der monetarisierten Ökonomie nicht in Geld, Tausch und Wert als solchen, sondern vielmehr im Zins, der auf private Kredite oder öffentlich geschaffenes Geld zu bezahlen ist. In dieser Sichtweise ist nicht die Konkurrenz als solche das Problem, sondern Krisen, die dadurch verursacht werden, dass Zinsen nicht bezahlt werden können, womit diese liberalen und neoliberalen Bezügen auf Ökonomie und Gesellschaft ähnelt. Dies führt zur Vision einer Marktwirtschaft ohne Zins und ist daher fundamental von der Perspektive der Demonetarisierung verschieden.

Drei Bewegungen sind für die Perspektive der Demonetarisierung im Besonderen relevant: Solidarische Ökonomien, Commons und Subsistenzökonomien. Diese Begriffe bezeichnen nicht notwendigerweise verschiedene soziale Praktiken, sondern beziehen sich vielmehr auf bestimmte theoretische Diskurse, politische Rahmungen und organisationale Ansätze, wobei verschiedene Menschen verschiedene dieser Aspekte jeweils betonen.

Auf der einen Seite erleichtert die breite Vielfalt an analytischen, strategischen und visionären Herangehensweisen Bündnisse mit anderen sozialen Bewegungen und theoretischen Strömungen, zieht allerdings zugleich die Gefahr nach sich, das Hauptziel von Demonetarisierung zu schwächen. Auf der anderen Seite gibt die enge Definition ihres wichtigsten Ziels dem zentralen Thema der Demonetarisierung einen klaren Umriss und erschwert wahrscheinlich eine Kooptierung durch Akteur_innen, die allgemeinen Herausforderungen sozialen Wandels nicht dienlich sind. Während die Bündnisbildung eine Stärke von Postwachstum als Diskurs darzustellen scheint, kann die Demonetarisierung an die Notwendigkeit eines tiefgreifenden sozialen Wandels erinnern, und daran, dass es möglich ist, diesen Wandel hier und jetzt zu beginnen. Dies soll im Folgenden noch klarer werden.

4. KEIN POSTWACHSTUM OHNE DEMONETARISIERUNG    

Demonetarisierung kann Postwachstum einen klaren Fokus auf die Bedingungen und Triebkräfte ökonomischen Wachstums bieten – eines Wachstus, das mit dem zunehmenden Verbrauch von Ressourcen und einer Reihe sozialer und ökologischer Probleme verbunden ist, die daraus folgen. Entsprechend wäre der Vorschlag, den Postwachstums-Diskurs so zu schärfen, dass seine Hauptbotschaft oder die Art der Fragestellungen vertieft würden. Anders als Debatten zur Rolle von Lebensstil und ethischem Konsum oder Investment, oder solchen, die vom Vertrauen in politische Regulierungen oder in die Macht individueller oder kleinteiliger Verhaltensänderungen (im Sinn von Verzicht oder Suffizienz) durchzogen sind, würde Demonetarisierung eine andere Betonung vorschlagen; nämlich auf die Bedingungen und Triebkräfte schädlichen ökonomischen Wachstums, insoweit sie mit Geld, Tausch und Wert einhergehen. Darüberhinaus könnte sie Postwachstumsdebatten durch ihren Reichtum an utopischen Modellen inspirieren. Einige wenige davon haben wir oben diskutiert.

Auf der anderen Seite könnte Postwachstum die Debatten und Initiativen um Demonetarisierung dazu anregen, sich mit größerer Klarheit der ökologischen Frage zu widmen.

5. EINE VEREINTE ANTI-KAPITALISTISCHE BEWEGUNG?    

Eine praktische Bewegung für soziale Transformation könnte die Schaffung von neuen ‘demonetarisierten Räumen’ innerhalb der kapitalistischen Ökonomie bedeuten. Die Bewegung für Freie bzw. Open Source Software wird oft als Beispiel dafür genannt, zusammen mit verschiedenen anderen peer-to-peer Technologien, die Wissen und kreatives Arbeiten zunehmend außerhalb der Marktwirtschaft verlagern, wobei freie Content-Lizenzen diese – in der Theorie – vor der Kommodifizierung schützen, das heißt, dass sie wieder als Waren auf den Markt gelangen. Verschiedene andere Projekte in der ‘Solidarischen Ökonomie’ wären ebenso zu erwähnen. Diese können gemeinschaftsbasierte Landwirtschaft, die Verteilung von Nahrungsmittelüberschüssen, Wohn-Genossenschaften und andere inkludieren. Allerdings bleiben all diese Bewegungen sehr isoliert voneinander. Die Open Source-Bewegung beispielsweise bezieht sich nicht auf einen Anti-Kapitalismus, ganz zu schweigen von einer Perspektive wie die der Demonetarisierung, obgleich sie als ein Beispiel dafür gilt, wie geldfreies Wirtschaften funktionieren könnte.

Im Sinn der Perspektive eines Übergangs im Verlauf sozialen Wandels wäre es vonnöten, diese Projekttypen miteinander zu verbinden. Kooperativen ersetzen zum größten Teil nicht den Kapitalismus, nachdem sie schlicht innerhalb des Kapitalismus funktionieren und darin zu überleben suchen. Darüber hinauszugehen um eine ernsthafte anti-kapitalistische Strömung zu entwickeln, würde die Kooperation in zunehmender Dimension erfordern, und zwar mit dem Ziel, Aktivitäten schrittweise zu demonetarisieren – das heißt, sie dem Markt vollständig zu entziehen. Beispielsweise können freie Software und Content-Lizenzen dazu verwendet werden, die Kommerzialisierung von Software und digitalen Medien zu verhindern, wodurch sie digitale Commons erzeugen. Es bleibt spekulativ, wie ein ähnlicher Prozess in der physischen Welt vorangetrieben werden könnte um etwa Commons and Land und Wohnraum zu schaffen.

Als eine Position gegen Geld und Tausch ist Demonetarisierung notwendigerweise anti-kapitalistisch und in der Tat: sie bezieht einen guten Teil ihres theoretischen Hintergrunds und ihrer Proponent_innen aus dem Marxismus und dem Anarchismus. Doch im 21. Jahrhundert, und der globalen ökonomischen Krise zum Trotz, ist die traditionelle Arbeiter_innenbewegung erstaunlich schwach, zumindest in den mehrheitlichen Bevölkerungsteilen der westlichen Länder. Diese Situation ist weit entfernt von den Visionen einer internationalen und inklusiven Arbeitendenbewegung, die dazu fähig wäre, sich global und koordiniert gegen die kapitalistische Ordnung zu erheben, und dies trotz der globalisierten Form der Marktwirtschaft. Angesichts der Vielfalt an Ansätzen und Perspektiven bleibt noch zu sehen, ob eine vereinte anti-kapitalistische Bewegung wiederkehren wird.

INFO BOX    

Quellen:

  • Demonetize it! 2016-04-09. http://demonetize.it
  • EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft. 2016-04-09. http://exit-online.org
  • Auf der Suche nach dem Neuen im Alten. 2016-04-09. http://keimform.de
  • Krisis: Kritik der Warengesellschaft. 2016-04-09. http://krisis.org
  • Die Gesellschaft nach dem Geld: Eröffnung eines Dialogs. 2016-04-09. http://nach-dem-geld.de
  • Streifzüge. Magazinierte Transformationslust. 2016-04-09. http://streifzuege.org
  • Nelson, Anitra & Timmerman, Frans. 2011. Life Without Money. Pluto Press: London. http://www.lifewithoutmoney.info
  • Exner, Andreas. 2014. Degrowth and Demonetization: On the Limits of a Non-Capitalist Market Economy. Capitalism Nature Socialism 25(3): 9 – 27.
  • Vaughan, Genevieve. 1997. For-Giving: A Feminist Criticism of Exchange. Plain View Press: Austin.

Gruppen zum Aktivwerden:    

(C) Die Autoren changed: 1. Juni 2016