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Chat Mit Nikola Winter

 
10. März 2013. Ein wolkiger Sonntag. Wir diskutieren einen Aufsatz von Karl Heinz Brodbeck, zur "Phänomenologie des Geldes". Denn: Nikolas Posting provoziert mich.

Ich glaube, das denken hat nur einen kleinen anteil an den notwendigen veränderungen.
schaden kanns dennoch nicht.
(Andreas Exner)

KH Brodbeck:
  • "Wenn Ökonomen, was übrigens häufig geschieht, Dinge sagen wie: „Stellen wir uns eine Wirtschaft ohne Geld vor“; „betrachten wir eine Tauschgesellschaft ohne Geld“; „gehen wir von Robinson aus und konstruieren dann einen Markt mit vielen Robinsons“, dann tappen sie in dieselbe Falle wie Sprachtheoretiker beim Versuch, die Sprache aus einem vorsprachlichen Zustand ableiten zu wollen, denn „ableiten“ heißt ja sprechen."
  • "In beiden Fällen (sei es die Denkform, die sich in einer Gesellschaft konstituiert, die auf dieser Denkform beruht oder die Wertform, die in der vermittelnden Bewegung ihre Spur verwischt) ist das Wesentliche nicht greifbar."
  • " "Es konnte vielleicht deutlich werden, dass Geld ein primär soziales, damit EIN KOLLEKTIVES PHÄNOMEN ist, auch ein Phänomen, das verglichen mit anderen Phänomenen auf eine neuartige Denkform und Logik verweist."
  • "MAN KANN GELD NICHT auf Faktoren ZURÜCKFÜHREN, die Nicht-Geld sind – wie Arbeitsleistungen, individueller Nutzen, aber auch nicht auf Recht und Gesetz."
  • "All diese Phänomene sind zwar immer wieder mit dem Geld verbunden gewesen, zeichnen aber nicht das Geld als Geld aus."
  • „Marx hat hier den Begriff der allgemeinen, gesellschaftlich notwendigen Durchschnittsarbeit“ als Grund für das Geld eingeführt."
  • "Dieses Wortungetüm verrät schon die Hilflosigkeit des Gedankens: Verschiedene Arbeitsarten sind … verschieden – das ist ja gerade der Witz an der Arbeitsteilung."
  • "Ein Durchschnitt lässt sich bezüglich der Arbeiten ebenso wenig bilden wie für die vielfältigen Formen von Kapital (Maschinen, Gebäude, Infrastruktur), wie das neoklassische Ökonomen versucht haben und bis zur Gegenwart in ihren Modellen wiederholen."
  • "Arbeitsarten, verschiedene Kapitalgüter oder Bodenarten sind je untereinander nicht in eine Arbeits-, Kapital- oder Bodensubstanz aufzulösen."
Außer durch Geld! das ist doch grad der Witz an der Sache, dass Geld diese Gleichsetzung "gewaltsam" vornimmt! Es haben die Marxisten nicht wirklich ernst genommen was Marx getan hat, nämlich das Wertformkapitel an die Spitze des Kapitals zu setzen! Es erklärt was es mit diesem Gleichsetzungsprozess zu tun hat, und zwar so fundamental, dass nur eine Kritik von Tausch und Geld rauskommen kann.
Brodbeck ist fantastisch, wenn es darum geht, den Unsinn der österreichischen Schule mit ihrer subjektiven Wertlehre zu dekonstruieren. Die bläst sich neuerdings in Gestalt des "Instituts für Wertewirtschaft" wieder so durchblickerisch auf dass mir schlecht wird. Aber um die Konsequenz der Sache scheint er sich zu drücken.

Robert Kurz meint dagegen, dass viele Marxisten das Wertformkapitel zu ernst genommen haben - so ernst, dass sie gar nicht die Widersprüche erkannt haben, die sich zwischen der Darstellung vom individuellen Standpunkt (Band 1) und vom Standpunkt des "Gesamtkapitals" aus (Band 3) auftun.

Ich versuche gerade zu verstehen, was Marx (und Kurz) mit "Substanz" meint (Kapitel 9, 10 Kurz "Geld ohne Wert"). Dazu habe ich von Brodbeck einen Artikel von 1981 gefunden "Der Fehler der Marxschen Wertelehre"... mal sehn...Was sollte Brodbeck Deiner Meinung nach tun um sich nicht "um die Konsequenz der Sache" zu drücken?

Wenn man schon den Widerspruch konstatiert dass der Wert vor dem Tausch nicht existierte und aber existiert haben muss: dann muss man die Substanz dieser Substanz dechifrieren. Wert ist beständiges Prozessieren der Wertformen.
Geld ist Gestalt des Wertes. Das muss man ernst nehmen. Es ist "mal mehr, mal weniger als Wert" wie sich Marx ausdrückt.
Kapitalanalyse ist nur als Wertformanalyse möglich, Kapital ist eben die nächste Wertform nach dem Geld. Das hat der Mike Roth in den Mittelpunkt gestellt. Und man könnt auch sagen: darum haben sich die Krisis Leute gedrückt.

Für Brodbeck ist Geld eine Denkform, kein Ding an sich.

Ja aber das ist doch ein Blödsinn. Er hat es ja auch in seiner Tasche.

Ja aber nur, weil es als gesellschaftliche Konvention funktioinert, nicht weil es irgendeinen Wert hat.

Aber Konvention klingt nach Willkür, "wir einigen uns". Das ist falsch. Es braucht das Geld, weil es Wert auszudrücken gilt. Klar ist das gesellschaftlich, nicht natürlich.

Ich glaube es geht in diesem Aufsatz nicht um die Frage nach dem Wert an sich, sonder um die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn man sich dieser Fragestellung mit der Methode der Phänomenologie nähert

("Die menschliche Gesellschaft lässt sich weder aus vereinzelten Individuen („methodologischer Individualismus“) noch durch Formen der Natur (wie sie die Mechanik oder Thermodynamik beschreibt) verstehen. Neben der Sprache ist das Geld das dafür sichtbarste Beispiel. Hier ist ein neues, ein phänomenologisches Denken erfordert; Geld und Sprache sind logisch und historisch ein Novum.")

Irgendwann kommt der Punkt dann muss man beschreiben was in der Mitte liegt zwischen Einzelbewusstsein und Natur. Das hat Marx als "gesellschaftliches Sein" apoostrophiert, und mahnend angemerkt, dass es sich vom Bewusstsein getrennt hat, obwohl es doch Bewusstes Sein ist

"Es braucht das Geld, weil es Wert auszudrücken gilt." Da hab ich gerade bei Kurz gelernt, dass es die prämonetäre und die monetäre Werttheorie gibt (Kapitel 2 Geld ohne Wert) - jetzt bin ich gespannt, was er aus dieser Beschreibung weiterentwickelt.

Der Prozess spaltet sich von der bewussten Gestaltung ab, wird ein Selbstläufer. Mir dünkt dass der "Phänomenologe" diesen Abspaltungsprozess gerade nicht nachvollziehen kann.

By the way: Kurz ist schon saugut

das "automatische Subjekt"?

Das automatische Subjekt und seine Erscheinungsweise

ja, das war ein Hilfsausdruck, um diese Realität zu erfassen. "Automatisch" könnte man aber irgendwie auch mit "geordnet gezielt" assoziieren und dann wärs falsch. Er meint "Unabhängig vom Willen".,.. "läuft von alleine, stellt sich auf die Hinterbeine" ... Und die Kritik von Marx ist: es ERSCHEINT als Natur, ist aber keine ... denn letztlich sind das schon alles Akte von Subjekten. Wir sagten damals: sie unterwerfen sich ihrer eigenen Gesellschaft, als wäre es ..

der „sich selbst verwertende Wert, ein beseeltes Ungeheuer, das zu >arbeiten< beginnt, als hätt‘ es Lieb‘ im Leibe"

ja genau. Der Beweis ist auch billig zu haben dass das alles "Menschen" sind die >arbeiten<...
und dann kann man ja auch phänomenologisch arbeiten
ich mein, das ist ja dann sogar wirklich spannend, wenn sich die verschiedenen Denkformen entwickeln
eine davon ist Schizophrenie - das sich selbst leugnende Subjekt
eine ist Affirmation, Identifikation mit den Sachzwängen

ich glaube sehr wohl, dass sich Brodbeck des Darstellungsproblems bewusst ist.

....aber das Darstellungsproblem führt zum Wert! Er muss als Darstellungsvoraussetzung begriffen werden! Du musst den Wert nicht dognmatisch einführen. Das war immer meine Leidenschaft; den Sachen bei der immanenten Etwicklung zuzuschauen.

Facebook ist nicht gut geeignet für solche Diskussionen. Wo ist mein letztes Posting hin?!

ad "Irgendwann kommt der Punkt dann muss man beschreiben was in der Mitte liegt zwischen Einzelbewusstsein und Natur." - genau das scheint Kurz sich in seinem Buch vorgenommen zu haben. Bin gespannt, wie er das angeht.

ich hab noch nicht damit angefangen . aber alle gewährsleute sagen er hat es gut hingekriegt!

mir sind ja all diese Begriffe nicht geläufig. Bitte gib mir Nachhilfe: Wieso ist Phänomenologie eigentlich nicht auch "methodologischer Individualismus"? die Phänomenologie geht doch auch vom Standpunkt des Einzelnen aus - oder?

Aber nicht ganz so scheinbar voraussetzngslos - weil sie die Denkformen selber hinterfragt.... Das ist der Unterschied auf den Brodbeck hinauswill ... Karl-Heinz Brodbeck ist ja übrigens hier auf Facebook, vielleicht mischt er sich in unseren Diskurs ein ..

zu klären was ich mir unter "formen" und "kategorien" vorzustellen habe, steht auch noch auf meiner to do list. diese worte kommen viel zu oft vor in diesen texten. auch die "logik".

Also das ist leicht. kategorein heißt "unterscheiden", also das war so eine Idee das Denken mit einer Gerichtsverhandlung zu identifizieren, die aus dem alten Griechenland kam

ich muss wirklich ganz unten anfangen. trotzdem trau ich mich über solche texte - wahrscheinlich verrstehe ich nur einen bruchteil, aber das ist mir egal, solange ich etwas verstehe und solange ich es spannend finde und zu neuen einsichten gelange.

Kategorien sind dann subjektive Mittel des Unterscheidens. Formen hingegen sind Erkennungsmerkmale....woran merke ich, dass ein... ein ... ist? (http://de.wikipedia.org/wiki/Form_(Philosophie))

Hegel hat die Form als eine Reflexionskategorie entschlüsselt. In der Wesenslogik merkt man dass sich das Denken einer Sache "bemächtigt", indem es Unterscheidungen macht, Form und Inhalt, Kraft und Äußerung, Wesen und Erscheinung

Ach das war schön als ich noch tagelang darüber nachdenken konnte!

ad Form - aber was soll dann zum Beispiel die Aussage "Wert ist beständiges Prozessieren der Wertformen." woran merke ich dass ein wert ein wert ist? was (außer geld) ist noch zum beispiel eine wertform?

Dass der Wert eine gesellschaftliche Chimäreist, die etwas reflektiert... Ist nur real als Zugriffsmacht auf anderen Wert

Für sich genommen kann er schlafen, im Golddepot, eber dann ist er auch nur Backup-Wert für einen sich lebendig erhaltenden Wert....weil letztlich gehts schon darum dass er das Mittel leiblicher Individuen ist. Engels hat sich einmal furchtbar aufgeregt über diese Frage. "Dass eine Nation verrecken würde...."

Alle schätzen beständig ihr Vermögen in Geld. Alles ist Geld-Wert. Aber das tun sie, weil Ihr Wert Mittel des Zugriffs auf fremden Wert ist. Wert ist also dass er prozessiert!!

Also ist Wert untrennbar mit Eigentum verbunden und mit der Selbstwahrnehmung als getrennte Individuen in einer Welt des Fremden, Anderen.

(ich muss jetzt weg, danke für Deine Kommentare, Franz!)

Ja. Zugleich aber mit der Wahrnehmung der Chance das eigene Eigentum in dieser Konstellation zu vermehren. Ich hab ja mit dem Wert ein Zugriffsmittel auf alles, das ist die notwendige Kehrrseite.

(ja, solang ich eben glaube, dass ich mir Zugriff überhaupt verschaffen muss und das als erstrebenswert betrachte)

"Statt Dich direkt auszuplündern, plündere ich Dich indirekt. Dein Bedürfnis ist mir ein Mitel um mein Eigentum zu mehren. Ich produziere nur dem Schein nach für Dich" (sinngemäß in den James Mill Exzerpten)

Dafür ist gesorgt. qua staatlicher Gewalt, dass Du Dir den Zugriff verschaffen willst und musst. Du musst wollen. Du bist frei von den Quellen Deines Lebens und frei für die Konkurrenz

Enclosures und Abschaffung der Privilegien haben dafür gesorgt

was heißt bitte "Abschaffung der Privilegien"? Meinst Du, dass Subsistenz ein Privileg ist? Jeden Tag immer wieder aufs Neue Wasser schleppen, Holz hacken,... sich abrackern nur um überleben zu können?

Nachtrag: Hab im Brodbeck Artikel die Unterscheidung zw Phänomenologie und method. Individualismus gefunden

"Anders als Kant und Husserl gehe ich nachfolgend nicht von einem idealisierten, d.h. vereinzelten Subjekt aus, sondern von der Gemeinschaft sprechender und handelnder Menschen, in der sich individuelles Bewusstsein immer wieder neu aus dem Diskurs mit anderen entwickelt.Man nennt diesen modifizierten Blick in der Philosophie auch den linguistic turn. Nicht ein vereinzeltes Bewusstsein an sich wird untersucht, sondern die Weise, wie wir bewusst ­ innerlich und äußerlich ­ über Dinge sprechen. Die Grundidee der Phänomenologie lässt sich dann wie folgt beschreiben: Wenn wir über bestimmte Gegenstände nachdenken, so ist unser Bewusstsein, unsere Achtsamkeit auf diese Gegenstände gerichtet und von ihnen mehr oder weniger gefesselt. Wir bemerken dabei nicht oder eher selten, wie wir diese Gegenstände, also in welchen Begriffen wir denken. Unsere Intentionalität ist nach außen gerichtet. In der mittelalterlichen Philosophie sprach man von einer intentio recta: Man ist geradewegs auf eine Sache gerichtet, ohne den begleitenden Denkprozess zu reflektieren. Um letzteres zu leisten, bedarf es einer Umkehrung der Aufmerksamkeit, einer intentio obliqua, den Blick in das eigene Denken, während man denkt. Genau das leistet die Phänomenologie."

Mit Privilegien waren natürlich Dinge gemeint wie die Versorgung einer Menge von Adligen, Mönchen, Pfründnern. Also gerade die Nutznießer der herrschaftlich organisierten Subsistenz, die die Basis der Feudalgesellschaft war.

Wer ist "wir"?

ad Brodbeck: Ja, das habe ich auch zu sagen versucht. Dennoch ist dieser "linguistic turn" oder diese "intentio obliqua" eben selbst noch behaftet mit falschen Prämnissen. Sie unterstellt ein Kollektivsubjekt "wir" anstatt sich allemal erst zu fragen was sich da eigentlich konstituiert. Insofern ist Marx beizupflichten wenn er kritisch anmerkt: "Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen das ihr Sein, sondern ihr GESELLSCHAFTLICHES Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt". Das "Gesellschaftlich" darf man nun niemals übergehen, es heißt eben auch "selbstgeschaffen" und inpliziert eine Verkehrung. Das Bewusste ist ins Unbewusste abgekippt, hat sich in etwas Naturhaftes verwandelt. Der Psychoanalyse war und ist dieser Gedanke ebenso geläufig, da gibt es tatsächlich eine innere Verwandtschaft, die einen neuen Reflexionsstand markiert, hinter den zurückzufallen sich verbietet.

Der Wert erzeugt eben auch seinen eigenen dinglichen Schein, und dieser reproduziert sich GESELLSCHAFTLICH. Diese Einsicht will nun wieder nicht eine Determination behaupten, aber sie wäre kritisch an Karl-Heinz Brodbeck zu richten.

ah ich sehe Ihr habt schon eine Facebook Freundschaft aufgebaut

Nach diesem Kollektivsubjekt "wir" habe ich mich auch gefragt. Diesen Satz hab ich mir angestrichen: "Im Anschluss an Kant wurde oft die Frage diskutiert, ob Dinge an sich auch unabhängig von ihrem Wahrgenommenwerden existieren. Doch diese erkenntnistheoretische Frage können wir bei der Untersuchung der menschlichen Gesellschaft getrost ausklammern, weil sich die Gesellschaft immer nur durch das Bewusstsein hindurch organisiert. Es gibt „da draußen“ keine Gesellschaft, nur Menschen, und Menschen handeln, sprechen und stellen so Gesellschaft täglich neu her.

Wie kommt es aber dann zum vielzitierten "Sachzwang", zu Zuständen, die als äußerer Zwang erlebt werden obwohl sie erst durch das Zusammenwirken der Menschen innerhalb einer Gesellschaft entstehen?

K-H. Brodbeck bring selbst später Beisipele für solche Konstellationen "Noch die despotischste (also keineswegs nur eine demokratische) Regierung beruht auf „Meinung“ (opinion) und wird durch die Meinung der Bürger getragen." "eigentliche Macht beruht immer auf der Anerkennung der Machtigen durch die Untergebenen; (H. Arendt)" "Geld beruht auf der Anerkennung der Vielen."

Aber ist die "Anerkennung der Vielen" wirklich bloß die Summe der Anerkennung jedes einzelnen dieser "Menschen (die) handeln, sprechen und () so Gesellschaft täglich" herstellen?

Aber vielleicht liegt hier die Lösung in einer anderen Perspektive bezüglich Subjekt/Objekt bzw an der Logik als Methode selber?

Ich zitiere: "Weil jeder weiß und darauf zählt, dass alle anderen auch das Geld als das Geld anerkennen, deshalb anerkennt jeder Geld als Geld.

Das ist ein zirkuläres Argument. Doch dieser Zirkel ist kein logischer Fehler, sondern eine soziale Wirklichkeit.

Wenn man eine Wissenschaft vom Geld nach den Gesetzen der traditionellen Logik aufbaut – z.B. durch mathematische Modelle –, dann muss man immer von Voraussetzungen ausgehen, die andere sind als das, was man damit erklärt: Geld.

Deshalb scheiterten alle bisherigen Geldtheorien, weil sie dieses völlig andersartige Phänomen der Geltung des Geldes durch die Anerkennung der Vielen nicht auf den Begriff bringen konnten."

"In der sozialen Welt ist das Sein, die Existenz von bestimmten Phänomenen nicht von einem materiellen Träger abhängig, sondern von einem Prozess des Bewusstseins der Vielen, einem Prozess des Denkens."

letzterer wäre dan das von Dir erwähnte GESELLSCHAFTLICHE Sein.

"Wir anerkennen das Geld als Geld, weil alle es tun. Und alle tun es … weil alle es tun.

Die „Substanz“ des Geldes ist also eine soziale, kollektiv erzeugte und darin zirkuläre Illusion der Geltung. Nichts am physischen Geld (Papier, Gold, Computerzahl), nichts an einer materiellen Substanz verleiht dem Geld seine Geltung.

Geld hat keine Substanz – außer dem allgemeinen Vertrauen in seine Geltung. Doch dieses Vertrauen ist kein Ding, sondern ein alltäglich vollzogener Denk- und Handlungsprozess."

"Nur im übertragenen Sinn kann man sagen: „Vertrauen“ ist die „Substanz“ des Geldes. Der zweifache Apostoph deutet darauf, dass man diese Begriffe nicht im materiellen Sinn verstehen darf, sondern sie so zu deuten hat, wie das eben skizziert wurde."

Also der Reihe nach: Das Argument "Noch die despotischste (also keineswegs nur eine demokratische) Regierung beruht auf „Meinung“ (opinion) und wird durch die Meinung der Bürger getragen" ist ein sogenannter Bedingungsfehler. Ich insinuiere einen notwendigen, bestimmenden Zusammenhang indem ich ein Element wegdenke und dann feststelle dass es "nicht ohne" geht. Mit genau demselben recht könnte man sagen: "Noch die despotischste (also keineswegs nur eine demokratische) Regierung beruht auf „Sauerstoff“ (oxygen) und wird durch die Atmung der Bürger getragen." So what?

Das "Phänomen der Geltung des Geldes durch die Anerkennung der Vielen" hat Marx bereits im übergang vom 2. zum 3. Kapitel des Kapitals erklärt: "In ihrer Verlegenheit denken unsre Warenbesitzer wie Faust. Im Anfang war die Tat. Sie haben daher schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Warennatur betätigten sich im Naturinstinkt der Warenbesitzer. Sie können ihre Waren nur als Werte und darum nur als Waren aufeinander beziehn, indem sie dieselben gegensätzlich auf irgendeine andre Ware als allgemeines Äquivalent beziehn. Das ergab die Analyse der Ware. Aber nur die gesellschaftliche Tat kann eine bestimmte Ware zum allgemeinen Äquivalent machen. Die gesellschaftliche Aktion aller andren Waren schließt daher eine bestimmte Ware aus, worin sie allseitig ihre Werte darstellen. Dadurch wird die Naturalform Ware gesellschaftlich gültige Äquivalentform. Allgemeines Äquivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur spezifisch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Ware. So wird sie - Geld."

aber man sehe weiter: "Adäquate Erscheinungsform von Wert oder Materiatur abstrakter und daher gleicher menschlicher Arbeit kann nur eine Materie sein, deren sämtliche Exemplare dieselbe gleichförmige Qualität besitzen. Andrerseits, da der Unterschied der Wertgrößen rein quantitativ ist, muß die Geldware rein quantitativer Unterschiede fähig, also nach Willkür teilbar und aus ihren Teilen wieder zusammensetzbar sein. Gold und Silber besitzen aber diese Eigenschaften von Natur." - Also die "Geltung" ist aufgeschmissen wenn sie nicht einen objektiven Träger findet.

"Der Austauschprozeß gibt der Ware, die er in Geld verwandelt, nicht ihren Wert, sondern ihre spezifische Wertform. Die Verwechslung beider Bestimmungen verleitete dazu, den Wert von Gold und Silber für imaginär zu halten. Weil Geld in bestimmten Funktionen durch bloße Zeichen seiner selbst ersetzt werden kann, entsprang der andre Irrtum, es sei ein bloßes Zeichen. Andrerseits lag darin die Ahnung, daß die Geldform des Dings ihm selbst äußerlich und bloß Erscheinungsform dahinter versteckter menschlicher Verhältnisse. In diesem Sinn wäre jede Ware ein Zeichen, weil als Wert nur sachliche Hülle der auf sie verausgabten menschlichen Arbeit. Indem man aber die gesellschaftlichen Charaktere, welche Sachen, oder die sachlichen Charaktere, welche gesellschaftliche Bestimmungen der Arbeit auf Grundlage einer bestimmten Produktionsweise erhalten, für bloße Zeichen, erklärt man sie zugleich für willkürliches Reflexionsprodukt der Menschen. Es war dies beliebte Aufklärungsmanier des 18. Jahrhunderts, um den rätselhaften Gestalten menschlicher Verhältnisse, deren Entstehungsprozeß man noch nicht entziffern konnte, wenigstens vorläufig den Schein der Fremdheit abzustreifen."

"Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist vollendet, sobald die allgemeine Äquivalentform mit der Naturalform einer besondren Warenart verwachsen oder zur Geldform kristallisiert ist. Eine Ware scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andren Waren allseitig ihre Werte in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt allgemein ihre Werte in ihr darzustellen, weil sie Geld ist. Die vermittelnde Bewegung verschwindet in ihrem eignen Resultat und läßt keine Spur zurück"

Will sagen: Man kann schlechterdings das Geld nicht aus einem Bewusstseinsakt ableiten, daran scheitert die Phänomenologie.

?? Damit stellst Du also den ganzen Artikel in Frage.

Aber das Bewusstsein (intentio obliqua) ist doch der Ausgangspunkt der Phänomenologie, also wundert mich nicht, dass dann auch Geld als "in sich differenzierte, vielfältige und sozial vermittelte Denkform" beschrieben wird.

Stellt sich nur die Frage nach dem Erkenntnisgewinn aus dieser Herangehensweise.

Aber die Darstellung von Marx bringt mir auch keinen höheren Erkenntnisgewinn.

Ich stell den Artikel nicht als ganzes in Frage, er enthält großartige Beobachtungen. Aber letztlich scheitert er als Theorie des Geldes. In dieser Hinsicht erinnert er mich an die vielen Ansätze bürgerlicher Wissenschaft, die einen methodischen "Aspekt" an den Gegenstand herantragen, aber sich dann auch an diesem festklammern. Was weiß ich jetzt übers Geld? Es ist eine soziale Konstruktion, wie das Fußballspiel, die Politik und die Sprache. Das ist doch wirklich kein Erkenntnisgewinn!

Würde er sich einen Moment lang auf die Spezifik der Dinge einlassen, dann müsste er feststellen, dass die Menschen nicht vom Denken und nicht vom Händchenhalten leben. Was Geld im Unterschied zur Sprache ist, Fussball im Unterschied zur Politik, das ist doch das wirklich spannende an Erkenntnis!

In beiden Fällen (sei es die Denkform, die sich in einer Gesellschaft konstituiert, die auf dieser Denkform beruht oder die Wertform, die in der vermittelnden Bewegung ihre Spur verwischt) ist das Wesentliche nicht greifbar.

Was ist an Marx Darstellung verkehrt?

Welche Erkenntnis ermöglicht mir die Darstellung von Marx?
Wie soll Geld aus einer Ware entstehen?
Brodbeck schreibt dazu: Auch enthält der Begriff „Ware“ (W) bereits die Geldverwendung, denn Waren haben Preise. Natural getauscht werden Produkte, keine Waren. Es ist also ein Kategorienfehler, die naturale Form als W-W’ zu bezeichnen. Man projiziert (genau das war der Fehler bei Marx und Menger) die Geldverwendung schon auf den Naturaltausch.

Der scheint den ersten Satz des Kapital nicht gelesen zu haben. Das ist wirklich eine ärgerliche Unterstellung. Die Konstruktion einer sogenannten "einfachen Warenproduktion" ist heute wissenschaftlich nicht mehr diskutabel - das findet man höchstens noch in traditionsmarxistischen ML Schulungen. Meine erste tiefe Begegnung mit dem "Kapital" von Marx war 1974 durch ein Seminar nahe Wien mit Mike Roth - und er fängt sein Buch "Kapitalanalyse als Wertformanalyse" auch sehr bestimmt an: http://marx101.blogspot.co.at/search/label/Ware

"Gewarnt wird vor der Lesart von Engels, die lange den orthodoxen Marxismus-Leninismus (ML) prägte, zu Anfang des KAPITAL werde in einem Zusammenfallen von historischer und "logischer" (=systematischer) Darstellung eine (vorkapitalistische) "einfache Warenproduktion" behandelt."

Mike hat auch liebevoll meine alte Auseinandersetzung mit Herrn Eldred archiviert: http://marx101.blogspot.co.at/search/label/Franz Nahrada

Im zweiten Posting auf dieser Seite findet sich auch dioe Auflösung des "Phänomenologie" Problems: zuletzt mit dem wunderschönen Satz: "„Die Analyse endet dort, wo das natürliche Bewusstsein die Herkunft der in ihm herrschenden Kategorien aus den durch die systematische Analyse aufgedeckten ... Verhältnissen erkannt hat ... Damit hat sich das natürliche Bewusstsein im systematischen spekulativen Denken aufgehoben ohne je seine Erfahrungen aufgegeben haben zu müssen.“ "

Mit dem Logischen und dem Historischen beginnt auch Kurz sein Buch.

Danke für die Links. Ich weiß, dass ich noch viel zu lesen habe...

Danke Nikola. Dass Du Dir die Mühe antust, freut mich. Ich bin vor 30 Jahren der Meinung gewesen, die Menschen würden bald massenhaft diese Dinge studieren. Heut bin ich froh dass der Faden der Zeit nicht ganz abreißt.

"Ich habe Drachen gesät und Flöhe geerntet" (Marx)

Da mache ich mir keine Sorge, Franz. Unsere Zeit stellt dringende Fragen. Und auf der Suche nach Antworten wird man sich auch immer wieder darauf besinnen, was schon gedacht wurde. Der Faden reißt nicht- und selbst wenn, dann wird er wieder aufgenommen. Und hoffentlich auch weitergesponnen (und nicht ins Museum gestellt).

(C) Die Autoren changed: 3. Mai 2014