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Unsichtbare Intelligenz / Beiträge / Barbara Waschmann Verstehen um zu handeln von Barbara Waschmann Ist einem was nicht genehm – also passt es nicht in das eigene (medial) gelernte Empfinden – ist man hierzulande schnell mit dem Totschläger-Argument „Verschwörungstheorie“ zur Hand. Ich erinnerte mich, dass Noam Chomsky, Medienkritiker und Linguist, gesagt hatte:„Die beste Verschwörungstheorie findet sich in den Hauptabendnachrichten“ . Auf der Suche nach der Quelle dieses Zitats antwortete Noam Chomsky: „It sounds like something I might well have said, but I suspect it's some informal context“. “... Diese neuen Techniken der Reglementierung des Geistes sollten von intelligenten Minderheiten genutzt werden, um dafür zu sorgen, dass der Pöbel nicht auf falsche Gedanken kommt. Mittels der neuen Techniken der Gedankenkontrolle ist dies jetzt ohne weiteres möglich.“ stellte Edward Bernays, Neffe von Siegmund Freud, im Jahr 1925 in seinem Buch „Propaganda“ fest. Er machte sich darin die Erfahrungen des ersten Informationsministeriums überhaupt, gegründet während des ersten Weltkrieges in Großbritannien, zu Nutze. Dieses Werk zählt auch heute noch zur Pflichtlektüre der Public Relation-Industrie. Und wem klingt nicht die Parole „weniger Staat, mehr Privat“ noch in Ohren? Sie entstammt der Feder der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)“, ins Leben gerufen und finanziell gut dotiert von deutschen Arbeitgeberverbänden mit dem Ziel„profit over people“-Reformen in Kooperation mit der Werbeagentur „Scholz & Friends“ völlig normal erscheinen zu lassen. Diese Initiative entsendet u.a. (meistens männliche)„INSM-Botschafter“ – darunter zahlreiche Politiker und Wissenschafter – als Experten in deutsche Talk-Shows ohne dass der/die ZuseherIn sich der Interessenlage bewusst wäre und hat so lange Rechercheaufträge für Zeitungs- und TV-Redaktionen mit absehbarem Resultat übernommen, bis zuerst die Zeitschrift „Die Zeit“ [1], dann der Westdeutsche Rundfunk und später auch andere hellhörig wurden. In meinem Praxis-bezogenen Beitrag zur Konferenz„Unsichtbare Intelligenz“ im November 2008 (Video unter www.XYZ.... ) war ich auf Mediendiktatur eingegangen. Darunter das von Noam Chomsky und Edward S. Herman entwickelte „Propaganda-Modell“ 2?, wonach es fünf Filter sind, die dafür Sorge tragen, weshalb uns bloß ausgewählte Informationen erreichen: Erstens Medienkonglomerate 3? wie AOL/Time Warner, General Electric, Vivendi Universal, News Corporation, Viacom, Bertelsmann und die Bertelsmann Stiftung. Letztere analysiert in ihrem „Bertelsmann Transformation Index" die Reformbereitschaft von 119 Entwicklungs- und Schwellenländern und sagt, wo es lang geht. Nicht umsonst versteht sich die Bertelsmann Stiftung als führender deutscher Think Tank für den Umbau von Staat und Gesellschaft. Im Jahr 2003 übernahmen Waffenproduzenten französische Medien 4? und ebenfalls Wörter- und Schulbücher gerieten in diesen Einfluss. Zweitens Werbeeinschaltungen und ihre Auswirkung auf Inhalte: Kein kommerzielles Medium kann ohne Werbeeinschaltungen existieren. Aufgrund dieser Abhängigkeit begehen viele Chefredaktionen Selbst-Zensur. Sie wüssten es besser, haben jedoch ihre Auflagen oder Quoten zu steigern, „müssen“ daher schweigen und können aufklärungswillige JournalistInnen nicht dulden. Auf Grund der prekären Beschäftigungsverhältnisse fällt der Entzug von Recherche- und Schreibaufträgen nicht schwer. Ein Journalist / Eine Journalistin, vielleicht sogar mit Familie, wird es sich folglich zweimal überlegen, ein zu heißes Thema aus der Schublade zu ziehen. Der Verantwortung der medialen Berichterstattung – nämlich der Verpflichtung zur Wahrheit, die Sorgfaltspflicht, das Fairnessgebot, die Achtung des Privatlebens und der Menschenwürde, der Persönlichkeitsrechte und die Achtung vor sittlichem und religiösem Empfinden – nachzukommen fällt in der Medienpraxis schwer. Drittens wird im „Propaganda-Modell“ festgestellt, dass es so genannte News-“Terminals“ gibt, also Quellen „massentauglicher“ Nachrichten. Normalerweise sind das das „Weiße Haus“, das Pentagon oder die Downing Street No. 10 in London. Bei uns würden beispielsweise die Sozialpartner dem entsprechen. Berichterstattung braucht „verlässliche“ Quellen und sie muss mit deren Repräsentanten sprechen – denn nur ihre Kommentare gelten als legitimiert und werden zu den News des Tages. Würde man hingegen Gefängnisinsassen (wie aus Guantanamo), Streikende (in Österreich selten vorkommende Spezies, dafür aber in Deutschland, Frankreich und Italien umso häufiger), Erwerbs- und/oder Obdachlose befragen, gälte man als FürsprecherIn und nicht länger als professionelle/r JournalistIn. Zudem schreibt die APA (Austrian Press Agency) oft genug von der DPA (Deutsche Presse Agentur) ab. Viertens wird „flak“ diagnostiziert, der negativer Respons zu medialen Aussagen. So hat sich beispielsweise die so genannte „Global Climate Coalition (GCC)“ formiert – initiiert von einer der weltweit größten PR-Agenturen, Burson-Marsteller und bestehend aus Exxon, Texaco und Ford. Deren Ziel war es, allzu realitätsnahe KlimaforscherInnen zu diskreditieren, also deren Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen, und „Horrorgeschichten“ über die globale Erwärmung abzuwürgen. Und fünftens die Frage„Wer ist der Feind?“: Vom Anti-Kommunismus über den adaptierten Feind des„teuflischen Diktators“ (obwohl selbst ins Leben gerufen, finanziert und Aufrecht erhalten) geraten heute die GlobalisierungskritikerInnen (zu Beginn von der Presse noch für Globalisierungs“gegnerInnen“ gehalten) ins Visier. Persönlich ordne ich auch den „Kampf gegen den Terrorismus“ demselben Filter zu. Dem zu Grunde liegt die Legitimierung der Waffenproduktion und militärischer Abenteuer, wobei deren Rechtfertigung„selbsterklärend“ auf medial konzentriertem Weg mitgeliefert wird. Nach diesem Ausflug in die Filtrierungsmöglichkeiten von Information müssen wir zunächst einmal festhalten, dass beim „ World Summit on Information Society | Weltgipfel der Informationsgesellschaft“ 5? der Vereinten Nationen, an dem im Jahr 2005 erstmalig Medienkonzerne mit am Verhandlungstisch sitzen durften, die anfangs ebenfalls teilnehmende Zivilgesellschaft konstatiert hatte, dass die Hälfte der Menschheit noch nie telefoniert hat und fast 90 Prozent der Menschheit keinen Internet-Zugang haben. In Europa befinden wir uns in der privilegierten Situation, eine vielfach stärkere Internet-Glasfaserverkabelung zu haben als wir bräuchten, während hingegen Afrika bislang nur entlang seiner Küste „angeschlossen“ wurde.
Information ist Holschuld Sachgerechte politische Meinungsbildung kann ohne sachgerechte Information nicht stattfinden. Verifizierte Information ist längst zur aktiven Holschuld geworden und die „digitalen Kluft“ – also der limitierte Zugang zur Kommunikationstechnologie – tut das ihrige. Vor 40 Jahren erkannte Marshall McLuhan als einer der ersten, dass Kommunikationstechnologien die Welt in ein „globales Dorf“ verwandeln. Die Entwicklungen der letzten Dekaden – Computer, Mobiltelefone, Internet, Satellitenfernsehen und Videokameras – schaffen mehr und mehr Verbindungen rund um die Welt. Nachdem jedoch 90 Prozent der Menschheit keinen Internetzugang hat greift die „digitale Kluft“ um sich: Nicht nur zwischen mehr oder weniger industriell entwickelten Ländern, zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung, zwischen Menschen unterschiedlicher sozioökonomischer Schichten sondern selbst zwischen Menschen mit verschiedenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Dringender Handlungsbedarf besteht bei gesellschafts- und entwicklungspolitisch relevanten Themen wie beispielsweise der Legitimation der Welthandelsorganisation, unserer dort vertretenen WirtschaftsministerInnen unter Konzerndiktatur, Verweigerung des Schuldenerlasses trotz jahrzehntelanger, gewaltiger Ressourcen-Ausbeutung, unser für den Klimawandel zu großer ökologischer Fußabdruck, Arbeitsbedingungen ohne soziale Sicherung, lebensgefährliche Gesundheitssysteme, genmanipulierte Lebensmittel verabreicht in einem großen Feldtest ohne Referenzgruppe, verheimlichte Zusatzstoffe in der Ernährung und dergleichen mehr. Fakten wie diese finden in unser aller Lebensalltag wie auch im Schulunterricht oft zu wenig Beachtung. Jedoch finden sie bereits statt oder sollen durchgesetzt werden – ob wir nun darüber Bescheid wissen oder auch nicht. Wissen wir jedoch, womit wir es zu tun haben, ermächtigen wir uns selbst, eine fundierte Meinung zu entwickeln, uns Handlungsspielräume zu eröffnen und sind nicht länger der von Bernays anfangs zitierte Pöbel.
„Normal“ ist,... Die Feststellung, dass uns zumeist ungenügende, unzusammenhängende oder medial verfälschte Information erreicht, war und ist Ausgangslage des gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Dokumentarfilmfestivals „Normale“ 6? aa866034fb49680beabb417661a1b.jpg Unter dem Motto „Normal“ ist, was uns verschwiegen wird. „Normal“ ist, dass wir für blöd verkauft werden. Die „Normale“ räumt damit auf. bieten die Dokumentarfilmvorführungen der „Normale“ seit 2003 in Österreich Analysen, Erfahrungen und Hintergrundinformationen zu gesellschafts-, entwicklungs- und (welt-)wirtschaftspolitischen Entwicklungen, wobei das Gesehene inhaltlich durch die Expertise von Nichtregierungsorganisationen, moderierten Publikumsdiskussionen und Filmgesprächen sowie für Kinder und Jugendliche auch medienpädagogisch durch Workshops und Rollenspiele im Großgruppenformat aufbereitet wird. Die „Normale“ will der Un-Informiertheit entgegenwirken sowie vorhandenes Teil-Wissen in größerem Zusammenhang einbetten, indem mittels Dokumentarfilmen und Aufarbeitung des Gesehenen etwaige Missverständnisse ausgeräumt, Handlungsoptionen aufgezeigt und Handlungsspielräume erweitert werden. Denn Bewusstseinsbildung über wirtschafts- und gesellschaftspolitische Zusammenhänge ist Voraussetzung für die Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Der offene, wertschätzende Kommunikationsstil der „Normale“-Filmbegleitung bietet Ansatzpunkte für eine weit reichende, Themen verbindende und nachhaltige Auseinandersetzung mit unserer Welt, in der man nicht umhin kann, unterschiedliche Aspekte zueinander in Beziehung zu setzen. Die „Normale“ trägt dazu bei, argumentierte Meinungsbildungsprozesse zu initiieren, das Verständnis für regionale Problematiken im globalen Kontext sowie die Rezeptionsfähigkeit zu schärfen und die eigene Mitverantwortung bewusst, aber eben auch die Möglichkeiten zur persönlichen Mitgestaltung sichtbar zu machen.
Veränderte Produktionsmittel Nur zu oft werden Jugendliche – wie auch marginalisierte 7? Gruppen, indigene 8? Bevölkerungen, Menschen aus den „Ländern des Südens“ 9? – von „nicht betroffenen“ Medienmachern porträtiert, die ihrerseits Stereotypen kreieren und aufrecht erhalten. Dank der „camcorder revolution“ 10? richten Filmschaffende und Medien-AktivistInnen weltweit „die Kamera drauf“: auf die Realität – das angeblich „Normale“. Halten Einzelpersonen und Gemeinschaften nun die Produktionsmittel in eigenen Händen, sind sie in der Lage über die Realitäten ihres Lebens in einer Art und Weise zu reflektieren, die sich deutlich von der Wahrnehmung eines/r Außenstehenden unterscheidet. Die eigene Geschichte zu dokumentieren, die eigene Stimme hör- und sichtbar zu machen, veranschaulicht Aspekte, die in „mainstream“-Medien selten zu finden sind. Unter dem Motto „see it, film it, change it“ überbrücken beispielsweise Menschenrechtsorganisationen wie „Witness“ 11? die „digitale Kluft“, indem sie einzelnen Personen und lokalen Basisorganisationen Videoausrüstung, Training und Unterstützung beistellen. Als Vermächtnis der Kolonialisierungen teilen indigene Gemeinschaften rund um die Welt eine gemeinsame Geschichte der Menschenrechtsverletzungen. Heute erobern sie ihr Land wieder, bestimmen ihre Gemeinden, ihren Zugang zu Nahrung, ihr Obdach, ihre Bildung selbst und lassen sprachliche und kulturelle Traditionen wieder aufleben, die von kolonialen Besatzern geächtet wurden. Als Margarita Warnholtz begann, indigenen Gemeinschaften in Mexiko zu einem Internetzugang zu verhelfen, waren bloß zwei Gruppen vernetzt. Sechs Jahre später war mit ihrer Hilfe das blühende Netzwerk „Indigenous Information Network / Red de Información Indígena“ 12? vom Río Grande bis nach Patagonien entstanden, das mehr als einhundert indigene Gruppen in ganz Lateinamerika miteinander verbindet. Diese online-Ressource unterstützt die Gruppen trotz geografischer Isolation eine Gemeinschaft zu bilden sowie sich unter einander und den Rest der Welt über Angelegenheiten zu informieren, die sie betreffen. „Project Censored“ 13?, 1976 gegründet durch Carl Jensen, ist ein Medienforschungsprogramm mit Basis an der Sonoma State University Kalifornien, das Studierende in investigativem Journalismus ausbildet, jährlich die 25 meist zensurierten Nachrichten unter dem Titel „Censored: Media Democracy in Action“ veröffentlicht und so dafür sorgt, dass „the news that didn’t make the news“ die Öffentlichkeit doch noch erreichen.
Die etwas andere Information Seit 1999 verschafft das „Aboriginal Peoples Television Network (kurz APTN)“ 14? Einblick in die beachtliche Vielfalt der indigenen Bevölkerung in Kanada und der gesamten Welt. Als gegenhegemonialer Fernsehsender kann TeleSUR 15? bezeichnet werden, der seit 2005 von den Regierungen der sechs Mitgliedsländer Argentinien, Bolivien, Kuba, Ecuador, Nicaragua und Venezuela betrieben wird. Dessen Programm bietet Raum für ansonst medial unterrepräsentierte Themen wie die „Free Trade Area of the Americas (kurz FTAA/ALCA)“ und deren “Bolivarianische Alternative für Amerika (kurz ALBA)“ oder die zunehmende Errichtung von US-Militärbasen in Lateinamerika. Mittlerweile geht das Gerücht, dass der Satellit immer wieder gestört wurde und verlagert werden musste. In „Seeing is Believing“16? werden Amateur-FilmemacherInnen zu den Augen der Welt, indem sie Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, die gelegentlich Eingang in die Berichterstattung von CBC, dem öffentlich-rechtlichen kanadischen Fernsehen, finden. Der Dokumentarfilm erfreut sich seit etwa 2004 auch bei uns steigender Beliebtheit und bringt einige der Themen, die uns beschäftigen (sollten), mit „Darwins Nightmare“, „We feed the world“ oder „Let‘s Make Money“ sogar in österreichische Programmkinos. Auch von Fernsehredaktionen öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland ist seit etwa 2006 bekannt, dass das Genre Dokumentarfilm seitens des Publikums zunehmend nachgefragt wird. Der ORF hat in 2007 mit der Einführung der sonntäglichen Dokumentarfilmschiene „dok.film“ nachgezogen. Im deutschsprachigen Raum sorgen Filmkollektive wie beispielsweise kanalB 17? oder CineRebelde 18? für andere Informationen, wodurch eine informierte Gesellschaft demokratische Alternativen entwickeln kann – der Albtraum der Medienkonzerne.
Fußnoten:
1? www.zeit.de/2005/19/insm?page=all http://www.zeit.de/2005/19/insm?page=all
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